Bebeinte Jojos in Dänemark

Wir haben dieses Jahr Urlaub in Dänemark gemacht. Endlose Strände, menschenleer, viel Wind, und ein Wetter, das alles zwischen Bikini und Rollkragenpullover auf Lager hatte. Maggie und Lucy haben nach der Rennerei wieder Whippetfiguren mit Sicht-Rippen, Suki ist wie immer gut in Bell- und Drehform, wenn die Frisbees fliegen und unserem Teint haben die zwei Wochen auch sehr gut getan. Nächstes Jahr kommen wir wieder, wir haben schon gebucht und unser nächstes Haus schon inspiziert.

Wir haben Dänemark als Urlaubsland ausgewählt, weil es ein Hundeparadies ist. In Mitteljüttland, noch über Ringkjöbing, genauer in Vrist, ist der Trubel auch nicht so groß- schon gar nicht, wenn die meisten Sommerferiengäste schon wieder zu Hause sind. Wenn man um die zehn Leute am gesamten Strand sieht- die kleinen Punkte am Horizont mitgezählt- , dann ist es schon sehr viel. Versucht das mal am Hundestrand an der Ostsee…

Umso erstaunter waren wir, dass wirklich eine Menge Leute ihre Hunde am Strand an der Leine ausführen. Kein Toben, kein Beschnüffeln anderer Hunde, kein Kontakt, kein Spielen,…nur geradeaus laufen und dem Menschen beim „Ist das nicht schön hier“-sagen zuhören.

 

Das Bild hier ist nur stellvertretend für viele hauptsächlich Deutsche, die wir manchmal auch ausdrücklich dazu ermuntert haben, ihre Hunde mit unseren spielen zu lassen (wobei das eigentlich unfair ist- unser drei spielen nur Rennspiele und das frustiert die meisten anderen Hunde, die so gerne Bodycheck spielen…).

„Der läuft dann weg“. „Der hat ein Herzfehler und soll sich nicht aufregen“. „Der bellt andere Hunde an“. “ Der hört nicht so gut, ich kriege den nicht wieder“,…das ist eine Auswahl der Antworten, die wir bekamen.

Ich bin geneigt, hier 5 cm Leerraum zu lassen, um unserer Fassungs- und Sprachlosigkeit Ausdruck zu verleihen…

So, und nach dieser Schweigeminute geht es weiter:

Ich will nicht auf die einzelnen Menschen schimpfen, jedenfalls nicht nur.

Manche sind sicher einfach nur faul und trainieren nicht mit dem Hund. Wissen vielleicht nicht wie, wollen es auch nicht wissen und machen einen Bogen um jede Hundeschule (jetzt schimpfe ich an dieser Stelle doch…).

Bei einer übergewichtigen Dame mit kleinem Rehpinscher an der Flexi-Leine (das war der Herzkranke, der zudem noch alle fremden Hunde anbellt) war auf dem ersten Blick klar, dass sie anstelle eines Hundes eher eine gehfähige Handtasche am Band gewollt hatte. Immer schön hochnehmen, wenn ein anderer Hund kommt („Der hat so Angst, von Welpe an“), ein Meter vorauslaufen lassen, dann an der Flexi wieder ruckartig „einholen“ („Nicht so anstrengen…“). Diese kleinen Hunde können einem wirklich Leid tun, dass sie schon allein wegen ihrer Körpergröße so ausgeliefert sind.

Diese Art Unkenntnis in der Hundehaltung ist für mich aber auch wieder ein Indiz für die Aufkündigung des Hunde-Menschen-Bündnisses. Wie ich das meine? Die Fremdheit zwischen Mensch und Hund nimmt zu. Überall. Der Mensch sieht vielfach einen Hund nicht mehr als Begleiter, sondern als bebeinte Jojos an der Leine. Und manche Hundehalter glauben das allmählich auch selbst und finden das ganz normal, dass der Hund nie frei laufen kann.
Innerstädtische Gesetze zementieren das, indem sie eine raumgreifende Leinenpflicht über gesamte Stadtgebiete aussprechen, handtuchgroße, ganz und gar unattraktive Auslaufflächen ohne Ausweichraum – wenn überhaupt- zur Verfügung stellen und so zum Rechtsbruch auffordern.
Kinder denken allmählich, dass eine Leine unbedingt an einen Hund gehört und  Erwachsene unterstützen das durch hysterisches Gekreische und missbilligende Blicke („Anna-Sophie-Mia, komm schnell zu Mama- der Hund ist ohne Leine!“ Genau. Und am besten noch Arme hochreißen, schnell wegrennen und kreischen…) und pflanzen so  ihre Angst-Introjekte ungebremst in Kinderseeelen. Damit vermasseln sie den Kindern die Chance, Hunde kennen zu lernen und die Abwärtsspirale der Entfremdung setzt sich in der nächsten Generation fort.

Es ist vielfach erwiesen, dass unglaublich viel weniger Menschen durch Hunde zu Schaden kommen als beispielsweise durch Autos. Hat deswegen jemand mal vorgeschlagen, nur noch Tretautos auf die Straßen zu lassen?

Medien schüren die Hundeangst, indem sie  jeden Beißvorfall unhinterfragt, manchmal auch unter Weglassung einiger wesentlicher Details als bluttriefende Story aufblähen- immer in schlagzeilenträchtiger Erwartung eines weiteren „Kampfhund frisst Kind“- Dramas. Und vielleicht kommt dann noch ein Hund auf die „Rasseliste“.

Apropos fressen: in Wäldern „gehört“ ein Hund natürlich auch an die Leine. Ganz besonders zwischen April bis Juli in der Brut- und Setzzeit, wenn es in der Kinderstube der WaldbewohnerInnen nur so wuselt. Aber habt Ihr gewusst, dass mitten in dieser Zeit, nämlich am 1. Mai die offizielle Jagdsaison beginnt? Dann stapfen Jäger durch den Kinderstuben-Wald und erschießen „nur die Böcke“. Wie passt das eigentlich zusammen? Ach, ich schweife ab…so ist das bei meinem Reizthema Leine…:-)

Also, liebe Deutsche in Dänemark: wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, dann habt Ihr bitte mit Euren Hunden soweit geübt, dass wir alle leinenlos toben können am Strand! Traut Euch und Euren Hunden das Gelingen zu! Wir freuen uns jetzt schon drauf!:-)

P.S. Wer zum Thema Hundeerziehung und Leben mit Hunden ein sehr kluges und unterhaltsames Buch lesen will, dem sein Wanja und die wilden Hunde: Mein Leben in fünf Jahreszeiten sehr ans Herz gelegt!!! Von Maike Maja Nowak gibt es außerdem noch ein weiteres gutes Buch mit jeder Menge Kurzgeschichten und Fallbeispielen rund ums Thema Hunde- (und Menschen-) erziehung: Die mit dem Hund tanzt: Tierisch menschliche Geschichten

2 Antworten

  1. Bettina sagt:

    Mönsch das ist ja eine traurige Beobachtung. Für mich und meine Meute ist Dänemark irgendwann mal ein Urlaubsziel, mal sehn ob ich es verwirklichen kann
    Aber diese Panik vor dem leinenlosen Hund kenne ich zu gut, letztes Erlebnis mit zwei Walkerinnen – meine Hunde vorwiegend ohne Leine aber brav am Wegesrand um die beiden pasieren zu lassen – es sei ja völlig unverantwortlich und unrechtmäßig was ich da tun würde. Hunde MÜSSEN an die Leine. Ich habe die beiden dann versucht auf zu klären – natürlich ohne Erfolg. Und deren Fazit – ich hätte dann ja mehr Rechte als sie!!!! Ich häää? Wie jetzt? Nix kapito ;-)….
    Also ich finde dass es seit der Kampfhunddebatte nicht nur den SoKas schlecht geht, sondern Hundehaltung insgesamt „seltsam“ geworden ist – zumindest erlebe ich das hier so mit meinen Mitmenschen!
    Danke für deinen Beitrag, ob Dänemark oder nicht, ich kann ihn unterschreiben!

    Liebe Grüße

  2. Bine sagt:

    Guten Abend,
    bin gerade über dich „gestolpert“.
    Wir haben einen Dackel und sind gefühlte 100 Jahre auf dem Hundeplatz.
    Mittlerweile nur noch zum Agility.
    Egal……….. sind oft an der Ostsee, Hund rennt sich einen Wolf
    zwischen 1000 anderen Hunden und ich habe noch nie eine Beisserei o.ä.
    erlebt. Ich bin immerwieder erstaunt wie toll es klappt wenn man Vertrauen hat oder haben kann. Das kommt natürlich nicht von ungefähr.
    So, liebste Grüße an alle Flexileinengänger und „Hochnehmer“,
    manchmal lohnt ein bisschen Mühe und „Denken“ hilft auch.
    Liebe Grüße aus Buxtehude

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