Von Rudeln und Menschen

In unserem Viertel gab es einen Hausbesitzerwechsel und damit auch einen neuen Hund im Revier. Er ist mir neulich schon bei deren Hausbesichtigung aufgefallen, als er Suki von der Seite anging und ihn auf die Straße jagte. Seitdem wechseln wir die Straßenseite und Suki läuft neuerdings auf dem Ende ohnehin aus verkehrstechnischen Gründen angeleint. Er kann uns nämlich  kaum noch hören und läuft einfach weiter…und dabei auch einfach so über die Straße. Daran und auf diese Weise soll er nicht von uns gehen. Aber zurück zu dem Zuwachs.

Suki auf der Wiese

Suki auf der Wiese

Es ist eine terrierartige Fußhupe mit der Selbstwahrnehmung von Godzilla. Und neulich hat er mich gestellt. Ich kam gerade vom Laufen (ohne Hunde,…denn im Gegensatz zu denen WILL ich auch bei über 20 Grad laufen), ging ein kleines Stück und dann kam er auf mich zugeschossen. Er bohrte seine zwei Pfoten mitsamt Krallen unter mein Knie, starrte und knurrte mich an. Sein Körper war stocksteif gespannt, ein einziger, bereiter Muskel- den Kopf im vollen Ernst nach vorne gestreckt, keine Spur von Zurückhaltung oder schüchternen Ich-weiß-gar-nicht-was-ich-hier-tue-aber-das-muss-ich-tun. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah und überlegte, ob ich ihn maßregeln sollte oder das vielleicht doch dem Frauchen überließ, das nur wenige 10 Meter nach ihm kam? Eine Stimme der Zurückhaltung ließ mich auf Frauchen warten. Und sie hat es ihm aber auch gezeigt! In einem fröhlichen Piepssopran bohrte sich ein »Komm mein Schatz, wir gehen hier lang« durch die Luft, blieb dort ein Weilchen stehen und trudelte als Wolke behutsam  in das Hundehirn. Immerhin ließ Schatz tatsächlich von mir ab und geradezu beschwingt gingen sie ihrer Wege.

What the Muckefuck!

Dieser Krawallbolzen hat übrigens noch Fußhupennachbarschaft, die er vielleicht noch nie gesehen, oder in diesem Fall wohl besser, gehört hat. Zwei weitere winzig kleine Hunde, die sich wie irre an der Leine gebärden und sich maßlos aufregen, wenn sie anderen Hunden begegnen. Unter »begegnen« verstehen die auch das Kratzen von Pfotenkrallen auf Asphalt in 10 Meter Nähe, also wenn die beiden noch im Haus sind und andere Hunde an der Straße vorübergehen…

Futter verstecken und finden

Futter verstecken und finden

Für mich wirken die maßlos überfordert und deshalb maßlos ausgetickert. Ich glaube, die wären ruhiger und sicher, wenn sie nicht wie ein Blindentaststock vorweggeschickt würden, sondern hinter ihrem »Herrchen« gehen könnte, der sie dann nach vorne schützt.  Macht das »Herrchen« aber nicht. Er zieht in solchen Fällen lieber ruckartig an der Leine, so dass die kleinen Fellbälle Yoyo-mäßig durch die Gegend fliegen. Wie oft habe ich den schon angepflaumt und ihm was von Kehlkopfquetschung erzählt!. Unbelehrbar. Unsere Vier gucken dieser Lärmwolke immer ruhig und etwas befremdet zu, was mich wiederum ganz froh macht. Diese kleinen ratten-/kaninchengroßen Hunde will nicht einmal Phönix fressen…
Aber so nervig diese Hunde auch sind. Ihr Verhalten ist nur Symptom für die Unfähigkeit ihrer Menschen, mit ihren Hunden umzugehen und sie zu verstehen.

Maggies Ohr

Maggies Ohr

Ich will für mich nicht behaupten, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und die Antwort auf alles zu haben. Nein, nein. Gerade in letzter Zeit, in der wir uns intensiv mit der Mehrhundehaltung beschäftigen, sind wir- um es mit Maja Nowak zu sagen- »Lernende, wo wir glaubten, Wissende zu sein«.

Für mich ist der Aspekt Ursprungskompetenz des Hundes ein Fakt und geht zusammen mit den Rasseeigenschaften und der individuellen Persönlichkeit des Hundes.

Lucy guckt (ein bißchen gegen die Sonne)

Lucy guckt (ein bißchen gegen die Sonne)

Und wenn ich mit diesen Informationen auf unsere Hunde gucke, dann sehe ich nicht mehr nur Friede-Freude-veganenKuchen, sondern unterdrückte Lebensfreude an Lucy, weil sie IMMER von Maggie gemaßregelt wird. Die kommt ihrerseits kaum zur Ruhe, weil sie eine Rolle in der Gruppe einnimmt, die nicht die ihre ist. Im Moment ist Magggie außerdem auch noch läufig und Lucy will kaum das Haus betreten, wenn wir mal alleine draußen sind. Die beiden Mädels gehen sich unter Hormonbeschuss manchmal so ernstgemeint an den Kragen, dass Maggie in wenigen Tagen zu ihrer Hundesitterin in die Nachbarschaft ziehen wird. Weiter sehe ich Phönix, souverän und stark, aber ohne echten Partner. Und Suki natürlich- definitiv in Rente. Diese Vier haben sich zwar aneinander gewöhnt und arrangiert, aber sie sind keine strukturierte Gruppe und werden es so auch nicht.
Hunde gewöhnen sich an alles und passen sich immer an. Das zeichnet sie aus und ist Teil ihrer loyalen Persönlichkeit. Sie gehen ein Bündnis mit uns ein und mit den Hunden, mit denen sie »zusammengestopft« werden . Passt es gut, dann ist es fein. Passt es nicht, dann ist das zwar nicht fein, aber es ändert sich für den Hund nichts und er hält es aus.
Manche reagieren allerdings nach Außen und werden verhaltensauffällig (die oben genannten hysterischen Fußhupen und Schatzi zähle ich durchaus dazu), manche gehen nach innen und werden krank.

Am Bothkamper See

Am Bothkamper See

Aber, wie so oft bei Themen, in denen Hunde eine Rolle spielen: der heilige Gral der Wahrheit ist immer woanders. Hier verhalten sich die Shitstormbewegungen im Internet in der Regelmäßigkeit von Ebbe und Flut. Ähnlich emotional und hart wird vielleicht noch über das Thema Religion, Kindererziehung und Essen diskutiert, bzw. gekämpft.

Das Thema „Rudelstellung“ oder besser noch Ursprungskompetenz des Hundes  ist deswegen so umstritten, weil es am Ende auch um wirklich viel Geld im Universum der Hundeschulen geht, die lieber ihre 1001 Methode verkaufen wollen. Und aktuell natürlich den 10-wöchigen Kurs zur Vorbereitung auf den Hundeführerschein. Es wird mit wirklich harten Bandagen um diese großartige Einnahmequelle gekämpft- alles „Rund um den Hund“ ist zu einem riesigen Wirtschaftsfaktor geworden…

Außerdem gibt es immer auch wieder Menschen, die nicht zwischen der Kritik an einer Person und dem Thema, für das sie steht, zu unterscheiden wissen.

Pommestütenohr

Pommestütenohr

Für viele ist es ist auch emotional bedrohlich , wenn der Hund im Zentrum der Betrachtung steht und wahrnimmt, dass diese hochkomplexen Lebewesen sich im Grunde genommen selbst und passend miteinander genug sind. Der Mensch und seine Bedürfnisse sind sekundär.
Hunde sind nicht dafür da, die Löcher in den Herzen den Menschen zu stopfen und dessen Defizite auszugleichen. Natürlich sind Hunde immer noch Gefährten, aber eben mit einem eigenen Leben und eigenen Bedürfnissen. Diese bestehen übrigens nicht darin, den ganzen Tag herumgetragen, von einem Agilitykurs zum nächsten Dogdancing gezerrt zu werden, angefasst, umarmt und mit Leckerlies vollgestopft zu werden. Auch das schnell-mal-zum-Hund runterbeugen und den Kopf tätscheln fällt in diese Kategorie.
Wer sich mit Beschwichtigungssignalen ein bisschen auskennt und Gähnen, Naseschlecken und Weggucken sehen kann, wer die ganz feinen Signale des Hundes erkennt, wenn er sagt »Jetzt und so bitte nicht«, den schüttelt es bei einer Vielzahl von Mensch-zu-Hund-Kontakten.
Dass das ein Schock für manche Menschen ist, kann ich gut verstehen. Wir sind auch nicht frei davon, aber wir lernen eben hinzu und oft auch um. Schließlich hat die Evolution uns dafür ein recht großes Hirn mitgegeben. Benutzen wir es also.

1 Antwort

  1. Marion sagt:

    Hallo,

    wir hatte am 10.8.14 unseren Workshop bei Rudelstellung und als Mehrhundehalter war klar das wir wohl kein Ergebnis erwarten können das wir uns wünschen und so war es dann auch prompt. Wir haben einen sogenannten MBH, als mittleren Bindehund und Doppelbesatz bei unseren Whippets. Das war aber auch schon das einzig unerfreuliche an diesem Tag.
    Was den Tag selbst angeht muss ich sagen das ich an einem Tag RS beinah mehr gelernt habe als in 2 Jahren Hundetrainerausbildung.
    Wer das mal gemacht hat und sich auch ganz und gar darauf einlässt kann eine Menge für sich an Wissen mitnehmen. Auch wenn man, wie ich, eine gewissen Skepsis mitbrachte.
    Ich habe sehr genau hingesehn, aber ich habe nur eine sehr engagierte, routinierte Barbara Ertel kennengelernt, die wirklich ganz und gar im Thema Hund lebt.
    Natürlich hieß es da für fast jeden Mehrhundehalter überlegen wie gehe ich damit um, denn für jeden stehen nun schwerwiegende Entscheidungen an und das das für die meisten Menschen schwer und schmerzhaft ist ist nicht die Frage. Das viele das auch dann ablehnen weil sie sich diese Entscheidung nicht antun können ist mir auch klar, das ist auch einer Barbara Ertel klar und auch das sie von diesen Leuten, wenn überhaupt, dann auch meist nur negatives hört.
    Eigentlich muss man beinah den Hut vor ihr ziehen das sie dennoch weiter macht und unbeirrt für ein besseres Leben der Hunde kämpft. Sie hat auch Ansichten die ich nicht teilen kann, besonders was den Auslandstierschutz betrifft, aber dennoch hat sie sich MEINEN Respekt an diesem Tag echt und aufrichtig erworben, weil sie eine unbeirrte Kämpferin für die Interessen der Hunde ist. Da habe ich im Namen vor Tierschutz und Tierrecht schon ganz anderes erlebt. Diese Frau lebt das was sie sagt und auch wenn man bei genauem hinsehen sicher auch Mängel finden wird, wie das bei jedem Mensch der Fall ist, so lebt sie IHR Thema in aller Konsequenz und wird nicht müde es zu vermitteln.
    Chapeau !!

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