Es ist Herbst – Zeit für Abschiede

Es ist zwar erst Oktober, aber dennoch Zeit für eine Art Jahresrückblick. Denn bevor die Uhr Silvester Mitternacht schlägt, wird sich unser Rudel verkleinert haben.

Abschied Nummer 1

Unser Kater Miro macht sich dieser Tage ans Sterben, denn er hat einen Tumor in sich, der auf die Lunge drückt. Der einst untergroße, recht dicke Katermann ist nur noch Fell und Knochen. Im Moment halten wir ihn stabil mit Cortison und Entwässerungstabletten und feiern das Leben. Es ist alles erlaubt, was sonst verboten war. Wir Veganerinnen kaufen Schlagsahne und Leberwurst, sein Futternapf ist voll mit den leckersten Sachen. Und wenn es ihm wieder schlechter gehen sollte, dann endet die Party. Unsere Tierärztin wird kommen, wir werden uns um ihn versammeln, seine ganze Menschen- und Tierfamilie,  und dann begleiten wir ihn in Liebe und Dankbarkeit hinüber.
Miro selbst weiß ganz genau, dass seine Tage gezählt sind. Er hatte ein „Gespräch“ mit unserer  Tierkommunikatorin Uta Rechlin, der er erst einmal alle seine Lieblingsplätze zeigte, die kleine Quasselstrippe. Die Höhle auf dem Holzstapel im Carport, seine Regentonne mit der hohen Blumentopfstele, in der er gerne sein Nickerchen machte (und so nie die Futteroption verpasste, wenn jemand an ihm vorbei ins Haus gehen wollte) und ein paar Stellen im Garten. Ihr glaubt nicht an  Tierkommunikation? Damit nehmt Ihr Euch eine faszinierende Möglichkeit, mit Euren Tieren zu reden und mehr über Euch und sie zu erfahren.  Man kann es sich vorstellen wie Radiowellen, die man ja auch nicht sieht- und trotzdem kommen „Dinge“ aus dem Lautsprecher. Das hat nichts mit Glauben zu tun, sondern mit Empfangsbereitschaft.


Tiere verfallen nicht in Wehklagen und Trauer um all die verpassten Dinge, die sie nun nicht mehr tun können. Für sie ist das Leben ebenso gut wie der Tod, sie tauschen mit Gelassenheit einen Zustand gegen den anderen. Weil sie immer im Jetzt leben. Sie sagen nicht: „Ach, wie schade, nun kann ich der beknackten schwarzen Katze von Gegenüber keinen mehr vor den Latz hauen“ oder bereuen etwa „Ich hätte so gerne noch meinen Roman geschrieben“. Man kann von ihnen lernen, denn wir sind mit unseren Gedanken ja überallhin unterwegs und fast nie im Jetzt. Tatsächlich ist es eine der schwersten Übungen für uns und gelingt zumeist nur, wenn man etwas tut, wo man mit wirklich ganzem Herzen dabei ist. Dann vergisst man alles Vorher und Nachher, fällt regelrecht aus der Zeit und ist kaum ansprechbar. Warum also nicht gleich mit ganzem Herzen leben?

Medikamente für Suki und Miro

Medikamente für Suki und Miro

Welches Leben ist das erfülltere? Ein kurzes Hunde- oder Katzenleben im Hier und jetzt? Oder ein kompliziert hin- und her gedachtes Leben mit viel Hetzerei? Wenn man nicht im Hier und Jetzt ist, sondern zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“, dann rennt man zwischen diesen Zeitpolen immerzu  hin und her.

Wir wissen nicht, wann Miro uns verlassen wird. Aber es wird sehr bald sein. Mit der Tierärztin haben wir einen Aufschub durch Medikamente besprochen von 2 – 3 Wochen. Und eine davon ist schon vorüber.

Abschied Nummer 2

Und noch jemand verlässt uns, aber lebendig. Wir haben uns dazu entschlossen, Maggie und Lucy voneinander zu trennen. Maggie zieht um nach Berlin zu einer Rentnerin in der Nähe des Grunewaldes, wo beide in Symbiose miteinander leben können. Sie werden sich gegenseitig sehr gut tun.
Wie kann man ein Familienmitglied einfach so weggeben? Als es neulich jemand in der Nachbarschaft tat, war ich empört. Doch es ist nicht „einfach so“ und wir haben uns viel zu lange damit Zeit gelassen. Solange, dass Maggie und Lucy jeweils auf ihre Art krank geworden sind vor lauter Stress miteinander. Maggie hatte eine Veränderung in ihrer Gebärmutter entwickelt, so dass alles komplett entfernt werden musste. Lucy hat einen Tumor an der Milchleiste, so dass wir auch sie operieren lassen müssen.
Maggie ist das, was man in Whippetkreisen eine „Hausmeisterin“ nennt. Vom Typ her ist sie eine hintere Mitarbeiterhündin, die sich aber als Chefin denkt. Und weil das nicht ihre echte Aufgabe ist, ist es immer ein Stück übertrieben und immer unangemessen. Sie setzt sich eine riesige Krone auf das Haupt und drangsaliert alle Hunde um sich herum- wenn sie denn kleiner und/ oder jünger sind als sie.  Maggie ist ja nicht doof. Einem ausgewachsen Boxer sieht sie einfach nur hinterher. Einem Boxerwelpen dagegen gibt sie aber schon mal „gerne einen mit“, wenn er es auch nur wagt, in ihre Richtung zu blicken.
Lebensfreude anderer Hunde passt ihr nicht, wer rennt, wird gestoppt. Und speziell Lucy als nachgeordnetes Rudelmitglied hat darunter zu leiden. Es gab jedesmal ein Zwicken in den Hals, wenn Lucy an Maggie vorbeirannte…oder auch, wenn Maggie mit irgendwem oder irgendwas Stress hatte. Lucy hat das immer abbekommen, war das Ventil für Maggies Frust.

Wir haben Maggie jahrelang korrigiert, zurückgerufen, korrigiert und zurückgerufen. Aber es handelt sich ja nicht um einfach nur eine Unart, die man berichtigt und schon ist es gut.  Sonst wäre es ja möglich gewesen. Nein, dieses Verhalten ist die Haut, in der sie steckt, da kommt sie hier und mit uns nicht heraus.
Und das beenden wir jetzt.

Maggie mittendrin

Maggie mittendrin

Natürlich tut es weh und wir werden ordentlich weinen, wenn wir sie abgeben. Aber wir tun es als Liebesdienst für beide Hündinnen, lassen unseren Egoismus hinter uns und handeln im Sinne der Hunde.
Uns tröstet, dass natürlich auch Maggie im Hier und Jetzt lebt. Wenn wir sie hier bei uns in Zeiten der Läufigkeit zu ihrer Hundesitterin gegeben haben, dann ist sie mit Begeisterung dort eingezogen, hat sich riesig gefreut und die Zeit dort genossen. Während wir uns gramgebeugt vom Hof schlichen, lag sie schon im fremden Bett und strich sich den frisch mit Leckerchen gefüllten Bauch.
Auch für Maggie beginnt bald eine Zeit der Entspannung und Ruhe, weil sie sich nicht mehr um Dinge kümmern muss, die nicht in ihrer Verantwortung liegen, aber von ihr dafür gehalten wurden.
Und wir können auch gespannt sein auf Lucy. Wer ist sie eigentlich, wenn sie keine Angst mehr haben muss, einen auf den Deckel zu bekommen?

Maggies Auszug ist nächste Woche. Und ich bin traurig. Aber ich stelle mir vor, dass es wie das Entlassen eines Kindes in die Welt ist. Sie lebt dann ihr eigenes Leben mit anderen Menschen.

Update vom April 2020:
Die Initiative Windhundhilfe hat gemeldet:
“ Mal was zum Nachdenken
Maggie zog im November 2015 zu ihrem Frauchen Renate. Sie war damals bereits 8,5 Jahre alt. Auch ihr neues Frauchen war schon eine ältere Dame.
Leider verstarb Renate kürzlich – unser herzliches Beileid.
Ihre Tochter meldete uns, Maggie sei umgezogen – nämlich zu ihr. Und das wäre ja selbstverständlich.
Sie schreibt:
„Maggie ist ein ganz besonderer Hund und hat unser Herz im Sturm erobert.
Da meine Mutter ein gewisses Alter hatte, musste dieses Thema ja auch besprochen werden.
Es war kurz nach Maggies „Übernahme“ schon klar, wenn meine Mutter nicht mehr ist, bleibt sie bei mir.
In der letzten Zeit war meine Mutter oft im Krankenhaus und Maggie schon zeitweise bei mir.
Aber Maggie wusste immer, wo sie hingehört und war froh, wenn sie wieder zu Hause war.
Mit mir ging sie nur nach Aufforderung mit, dann aber auch gerne. Das war für meine Mutter sehr wichtig.
Sie stellte sich oft die Frage, werde ich Maggie noch gerecht und geht es Maggie noch gut bei ihr.
Maggie ist sehr menschenbezogen und findet andere Hunde nicht so doll. Auch für lange Spaziergänge ist sie nicht zu haben, sie liegt lieber mit auf dem Sofa/Bett und kuschelt.
Also ist meine Mutter mit Maggie zum Schluß nur noch vor die Tür gegangen und ich bin spätestens alle zwei Tage richtig mit ihr raus.
Dabei ist Maggie ein „Kniekehlen-Whippet“. Sie läuft fast nur direkt hinter mir her, es sei denn, etwas riecht sehr gut und sie geht schnüffeln. Wir haben unsere Witze darüber gemacht und spekuliert, was Maggie wohl denkt. Wir kamen zu dem Ergebnis, Maggie versteht nicht, warum ich dauernd spazieren gehen will und sie mich begleiten muss.
Maggie hat mich als Gast immer wieder bei der Arbeit begleitet. Ca. zwei Wochen vor dem Tod meiner Mutter hatte ich gefragt, ob aus dem Gast irgendwann eine Dauerbegleitung werden kann. Die Reaktion meiner Kolleginnen war positiv. Eine meinte sogar, ist Maggie nicht da, fehlt etwas. Diese Kollegin mag Hunde eigentlich nicht so gerne … .
So ist das mit Maggie. Viele Menschen die Hunde nicht so mögen, mögen Maggie! Die Aussage ist: Maggie ist kein Hund, Maggie ist eine Maggie!
So begleitet mich Maggie jetzt bei der Arbeit mit mehrfach schwerstbehinderten Erwachsenen und ist unser Therapiehund. Sie macht das grandios und geht ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: kuscheln.
Dies war meiner Mutter sehr wichtig und sie fragte kurz vor ihrem Tod nochmal nach ob diese Frage geklärt ist. Maggie soll nicht stundenlang alleine sein und wir haben sie sonst auch immer überall dabeigehabt.
Windhunde sind ja wirklich besondere Hunde mit einem besonderen Charakter. Meine Mutter hatte über 30 Jahre Whippets. Es war klar das Maggie ihr letzter Hund sein wird und wir haben mit Maggie wirklich einen tollen Hund bekommen. Maggie war meiner Mutter eine tolle Begleitung und ein Grund, den Lebensmut nicht komplett zu verlieren, auch brachte sie meine Mutter immer wieder zum Lachen und etwas Freude in ihr Leben.
Jeder, der ein Hund hat, sollte sich mit der Frage beschäftigen, was wird aus meinem Tier, wenn ich nicht mehr bin.
Dies gehört meiner Meinung zum Tierschutz dazu. Daher dürfen Sie gerne über uns berichten. Vielleicht bringt es manche Menschen zum Nachdenken und Handeln.
Ich sende Ihnen ganz liebe Grüße und verbleibe mit dem Lieblingssatz meiner Mutter über Maggie:
Maggie ist kein Hund, Maggie ist eine Maggie!“
(…) Unserem Schnuppelchen geht es gut.
Ich wünsche Ihnen frohe Ostern, die liebsten Grüße aus dem sonnigen Berlin
Carola“
Wir sagen herzlichen Dank für diese außergewöhnlichen Zeilen!

Abschied 3

Auch mit Suki ist in diesem Jahr etwas passiert, nämlich das Vestibular Syndrom. Das ist grob gesagt eine Durchblutungsstörung im Innenohr und damit ist auch der Gleichgewichtssinn im Eimer, so etwas wie ein Schlaganfall. Er hatte zwei starke Anfälle und jedes Mal erholt er sich davon ein Stück weit. Beim ersten Mal war ich sehr erschrocken und unglaublich traurig. Aber auch hier habe ich Hilfe gesucht in der Tierkommunikation.

Und das ist ein Teil der schnellen Antwort:
„Soweit ich sehen konnte ist seine Seelenfamilie noch nicht versammelt. Dies bedeutet normalerweise, dass er sich jetzt noch nicht auf den Weg macht bzw er wird auf der anderen Seite noch nicht erwartet. Er hat mir gezeigt, dass es ihn aus dem rechten Ohr ein Gefühl des Kribbelns gibt – es fühlt sich eher so an als hätte er einen leichten Schlaganfall gehabt, der ihn nach rechts verschiebt. Auf die Frage ob er jetzt gehen will oder noch nicht hat er mir lauter Bilder voller Lebensfreude geschickt: ein spielender Hund der voller Freude am Leben teilnimmt. Er ist ganz bei Dir- sprich auch nicht mit einer anderen Seele verbunden, der er eventuell folgen können wollte. Soweit erst einmal  zur Entwarnung.“

Eine Woche lang saß ich neben seinem Krankenbett, bewachte ihn und seine zwei Infusionen.

Suki döst

Suki döst

Das war am 5. Juni und nun haben wir Oktober. Suki schnarcht gerade jetzt neben mir im Korb.

Wir müssen aber Abschied nehmen von dem Hund, der immer mit dabei und forsch voran schreitet. Die Spaziergänge sind sehr kurz geworden, an manchen Tagen gerade einmal die Auffahrt entlang, selten länger. Es wird nie wieder gut, es ist anders geworden.
Wegen seines fragilen Gleichgewichts darf er nicht mehr einfach aus der Tür preschen, irgendwo allein heraus- oder herunterspringen und man muss aufpassen, dass die anderen Hunde ihn zur Türbegrüßung nicht einfach wegwedeln.

Sein rotes Geschirr trägt er jetzt Tag und Nacht, damit ich schnell eingreifen kann. Und wenn er vor dem Sofa steht und mit kleiner Hilfe zu mir hochspringt, dann freue ich mich wie Bolle, dass er das gerade wieder kann und will. Dann nehme ich es ihm auch nicht übel, dass seine Blase nun nur noch bis 3 Uhr morgens reicht und wir dann eben raus müssen.

Dieses Jahr ist also auch ein Jahr des Abschieds. Aber bevor die Dinge sich endgültig so gestalten, übe ich mich im Hier und Jetzt. Und das sieht genau in diesem Augenblick so aus:

Es ist gut so, wie es ist.

Update vom 8. November 2015:
1.) Wir haben Maggie am 1. November nach Berlin gefahren und dort bei ihrem neuen Frauchen gelassen. Uns wurde berichtet, dass sie sich inzwischen hervorragend eingelebt hat. Maggie und ihr neues Frauchen verbringen annähernd 24 Stunden des Tages miteinander. Und Maggie muss mit niemanden teilen. Sie fährt königinnengleich in einem großen BMW in den Grunewald, wo sie ausgiebig spazieren gehen kann.
Ohne Maggie geht es auch dem Rudel in Bordesholm besser. Darüber berichte ich ein anderes Mal ausführlicher.

2.) Miro haben wir am 5. November tatsächlich im Kreise seiner Lieben auf die andere Seite begleitet. Er saß auf meinem Schoß, in unseren Händen, als die letzte Spritze gegeben wurde. Miro wäre im Laufe der Nacht auch ohne unsere Hilfe gestorben, aber ungleich viel qualvoller- er bekam kaum noch Luft und ich sehnte die Tierärztin herbei. Schon drei Tage zuvor hatte er seine Medikamente verweigert, egal was für Tricks ich mir einfallen ließ. Ich glaube, es war einfach auch seine Entscheidung.
Sein Grab ist jetzt an einem seiner Lieblingsorte am Rande der Einfahrt, von wo aus der den besten Blick auf das Treiben der „beknackten schwarzen Katze von gegenüber“ hat.

Miros Grab

4 Antworten

  1. Meike sagt:

    Liebe Maike, alles ist richtig so. ich kenne Maggie ja auch und weiß, wie die kleine sehr süße *Hausmeisterin tickt. Ihr habt für Maggie entschieden- und das ist gut so. Die Zeit des Abschiednehmens gehört zum Leben hinzu, euer Katerchen, euer Suki dürfen in tiefem Vertrauen auf ewige Liebe und Geborgenheit ihren ruhigen Frieden finden. Das ist wunderbar.

  2. Marianne sagt:

    Wunderbar hast Du das geschrieben und beschrieben, Maike. Es berührt mich stark. Gebe meinem Lieblingskater die allerherzlichsten Wünsche mit auf seine letzte Reise.

  3. Meike sagt:

    Liebe Maike….
    ich muss sagen deine Geschichten berühren mich bis tief in die Seele. Du bist nicht nur eine Schriftstellerin, sondern eine, der die Worte aus dem Herzen sprudeln und meins so schnell erreichen dass es ganz warm wird, manchmal weh tut, gerade fühlt es sich an wie mit einem Teppich überzogen, ganz dumpf. Gefühllos.
    Ich trage deine Entscheidungen irgendwie mit. Sie sind so nachvollziehbar. Suki der tapere Krieger…Lucy die Neugeborene…Maggie die nun Kontrolle abgegeben darf und Miro…hach…
    deine Worte sind schön. Du kannst damit jonglieren, in allen Farben, ich kann das bunt lesen, fühlen, hören und manchmal riechen. Schreib ein Buch über dich, über das Leben mit Hunden. Das hilft ja bekanntlich die Welt nuanchierter zu sehen, hilft beim Schreiben.
    Das hier reicht mir nicht 🙂

    Liebste Grüße aus der Nähe von Köln. An alle. Ausnahmslos!

    Meike

  1. 25. März 2016

    […] (Update: Wir haben Lucy und Maggie voneinander getrennt. Beide hatten Krebs entwickelt, den wir operieren ließen. Maggie hat nun einen Einzelplatz in Berlin und Lucy wohnt nun allein mit Phönix bei uns. November-März 2016). […]

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