In deinem kleinen, großen Herzen

Wenn ich an dich denke, sehe ich dich vor mir laufen, deine Knickohren wackeln dazu im Takt, der kleine Fellhintern fliegt munter den Schritten hinterher und dein ganzer Körper ist eine einzige Liebeserklärung an das Leben, an den Weg vor dir und die Gerüche links und rechts. Alle paar Meter bleibst du stehen, wartest auf mich, läufst weiter, bleibst zurück, kommst wieder hinterher, aber nie bist du weiter als 10-15 m weit weg von mir.

Körperlich kaum höher als ein großer Kater, passte doch ein Selbstbewusstsein wie das eines Bernhardiners in dich hinein. Wer dir quer kam, wurde verbellt, wer sich ungehörig benahm ebenso. Und diese langhaarigen Affen von Hunden, bei denen man nicht mal das Gesicht sehen konnte vor lauter Zottelfell, da musstest du schon mal geradewegs drauf zu schießen.

Wenn ich an dich denke, dann fühle ich dich neben mir auf dem Sofa liegen, angeschmiegt, Rücken an Bein. Und ich höre dein Seufzen, deine kleine Melodie, die du singst, bis du endlich deine richtige Position gefunden hast.

Wenn ich dich vor mir sehe, dann blicke ich in deine wachen, braunen Augen, mit denen du mich freudig und erwartungsvoll ansiehst, jetzt, wo ich endlich wieder nach Haus gekommen bin, zurück zu dir und bereit für gemeinsame Abenteuer und Kontrollgänge im bekannten Revier.

Suki 6-5-2012

Dass dein Leben dir so einen Spaß gemacht hat, war nicht immer so. Deine ersten zehn Jahre in Kroatien müssen nicht nur gut gewesen sein.
In deinem Impfpass steht der Name Pik- das heißt direkt übersetzt »Spaten«, was keinen Sinn ergibt, oder es kann eine Abkürzung von Piccolino sei, was italienisch »klein« bedeutet oder es ist von irgendjemanden falsch geschrieben worden und bedeutet einfach »Schwein«. Ich weiß, dass Du geschlagen und getreten wurdest. Dein anfängliches Misstrauen, deine Angst gegenüber schnellen Bewegungen auf Dich zu und auch das, was zwei Tierkommunikatorinnen unabhängig von dir gesagt bekamen, zeigten mir das.
Du wurdest uns beschrieben als ein Hund, der auch schon mal schnappt- aus Verteidigungszwecken, wie wir schnell herausfanden. Deine einzige Waffe, die gegen die Tritte leider nichts genützt haben wird.
Die ersten Tage durften wir dich gar nicht anfassen, nicht einmal berühren.

Ankunft in Köln

Ankunft in Köln

Aber du bist Stück für Stück bei uns angekommen und wir haben dir Zeit gegeben, das langsam und in deinem Tempo zu tun.
Vielleicht hättest du Kater Miro nicht sofort wegschnappen dürfen- er lauerte dir danach ein paar Mal hinter  demTürrahmen auf und hat dir deutlich zu verstehen geben, wer hier zuerst zu Hause war. Ein paar Kratzer hättest du dir sparen können, aber so habt ihr das eben ausdiskutiert.

Im Laufe der Jahre sind wir alle zusammen gewachsen und du hast dich an mich gebunden. Mein kleiner, schwarzer Schatten, der dort war, wo ich war.

Suki mit am Laptop

Suki mit mir am Laptop

Dich gebetsmühlenartig auf deinen Platz zu legen, hat nie richtig geklappt. Im vergangenen Jahr noch schlechter als sowieso schon. Ich habe dann einfach deinen Korb genommen und dort hingestellt, wo ich gerade zu tun hatte. Dann haben wir eben gemeinsam Kartoffeln geschält.
Du warst schon 10, als du zu uns gekommen bist. Doch die ersten zwei oder vielleicht drei Jahre warst du wie ein junger Hund, der sein Leben neu entdeckte. Vielleicht war es überhaupt das erste Mal, dass du erfahren hast, wie ein Hundeleben sein kann und du wolltest immer mehr davon. Dann ließen allmählich deine Sinne nach. Erst zog sich eine graue Gardine über deine Augen, dann schliefen deine Ohren ein. Aber für Nachbars Katze und unsere Signale reichte es noch lange Zeit.
Die ersten Jahre hast du nicht einmal ein Halsband getragen- es wäre dir nie in den Sinn gekommen, woanders hinzugehen als dorthin, wo wir waren.
Vor eineinhalb Jahren begann es dann.
Du hast angefangen, dich zu verlaufen, wenn du die Gruppe nach dem Schnüffeln aus den Augen verloren hast. Dann bist du einfach dorthin gelaufen, wo du meintest, dass sie sein könnte. Einmal hat Katrin dir nur folgen können, weil du deinen knallgelben Pullover getragen hattest und die anderen Hunde ihr die Richtung gezeigt haben. Das war der Zeitpunkt, an dem auch du öfter an die Leine gekommen bist. Unser verlängerter Arm und du an unserer Hand.
Und dann kam dein Gewitter im Kopf. Juni 2015, es war nicht richtig Sommer draußen, aber es regnete immerhin nicht.
Deine Augen flogen hin und her als würdest du ein zu schnelles Tennismatch betrachten. Dein Kopf wackelte mit, du hattest kein Gleichgewicht mehr und dir war schlecht vor lauter Seekrankheit. Vielleicht waren das auch die späten Folgen aus der Behandlung in deinem vorigen Leben.

Suki Januar 2016

Suki Januar 2016

Wir haben das ganz gut wieder hinbekommen. Mit Infusionen und Rundumbetreuung. Damit wir dich besser stützen konnten, haben wir dir ein rotes Geschirr gekauft, das du wie ein Weste tragen konntest. Ich nannte es deinen Sicherheitsgurt und du hast auch zunehmend darauf bestanden, es anzubehalten. Ganz verloren hast du ausgesehen, wenn ich es ab und zu mal ausziehen musste. Es war ganz aus Stoff und du hast es von da an Tag und Nacht getragen. Für uns war der Verschlussgurt das Wichtigste daran, denn so konnten wir dich führen und halten. Sogar wenn du dich in deinem Korb drehen wolltest. Ich steckte dann einen meiner Finger drunter und du konntest dann mit meiner Hilfe deine Pirouette tanzen, ohne umzufallen.
Dein Korb neben meinem Bett sah aus wie nach einer Kissenschlacht im Kindergarten. Um dich vor schmerzhaften Stürzen zu bewahren, lagen überall Decken und Kissen drumherum. Meinen Nachtschrank hatte ich mit einer Yogamatte umwickelt.
Wir haben uns ganz gut damit arrangiert. Ich durfte dich tragen- nicht immer, aber meistens, weil du nicht mehr alleine die Treppen herunter gekommen bist. Um Weihnachten herum hatte ich einen Hexenschuss und konnte das nicht tun. Da warst du nochmal der alte Schnappi, als Katrin mich vertreten wollte. Auch wenn du längst nicht mehr alle Zähne hattest, war das beeindruckend.
An dem Tag bin ich an die 20 km gegangen und gelaufen, um mich wieder in Bewegung zu bringen, damit ich meine Nachtschicht mit dir machen konnte. Deine Blase reichte nämlich schon seit Monaten nur noch bis drei Uhr morgens und ich konnte so täglich einmal eine Wetterprognose in der Nacht abholen und Sterne gucken. Ich habe mich daran gewöhnt und werde jetzt auch um diese Zeit zuverlässig wach.
Das wird noch etwas dauern, bis ich wieder durchschlafe.

In der Nacht zum Montag, dem 15. Februar hattest du einen weiteren Anfall, es war der Dritte. Und es sollte der Letzte sein.

Sukis letzter Tag

Sukis letzter Tag

Ein Teil von dir hat sehr deutlich gesagt, dass du nicht wieder die ganze Prozedur mit Infusion, Schwindel und Krankenbett durchlaufen wolltest. Für einen anderen Teil von dir war das Sterben keine Option und du bist durch den Tag getaumelt, so schlecht es eben ging. Und doch haben wir dann die finale Entscheidung getroffen, weil wir es tun mussten. Denn Leben bedeutet auch Lebensqualität. Sich aus eigener Kraft bewegen zu können, aus eigener Kraft das Futter zu finden, sich selbst einen Platz zum Liegen zu suchen.
Das alles konntest du nur noch mit meiner Hilfe. Wir konnten dich nicht mehr alleine lassen, keine Minute.
Es gibt Hunde, die gehen nicht freiwillig, weil es nicht in ihrem Programm vorkommt. Du warst so ein Hund. Keine Sekunde wolltest du von deinem Leben bei uns missen und immer mehr davon. So als sollten sie dein vorheriges Leben wieder aufwiegen und wettmachen. Du hättest dich sicher weiter und weiter geschleppt, aber es war unsere Verantwortung, hier ein Ende zu setzen.

Dein finaler Gang war furchtbar und ich werde ihn hier nicht durch Worte zu einem Bild werden lassen. Wir hatten beide das Gefühl, dich ermordet zu haben, doch das ist wohl immer so, wenn man Gott spielen muss.

Sukis Grab

Sukis Grab

Wir hatten noch 12 Stunden an dem Montag, um uns voneinander zu verabschieden. Und die haben wir ausführlich genutzt. Nur wenige Minuten warst du ohne mich und die hast du verschlafen.
Ich habe deiner Seele eine Tür geöffnet und du bist dann am Abend auch hindurch gegangen. Sicher gehalten in unseren Armen, von uns behütet, begleitet und noch stundenlang danach beweint.

In der Zeit bei uns konntest du innerlich heilen, Liebe erfahren und Vertrauen entwickeln. Und so war das auch gedacht, als wir damals einen scheinbar alten Hund zu uns nahmen. Wir wollten dir noch schöne zwei oder drei Jahre Leben schenken, die dann zu fünf Jahren geworden sind. Ich denke, das haben wir genauso geschafft und miteinander hinbekommen.

Und nun mach es gut, mein kleiner Freund. Du bist jetzt ganz frei und ohne Angst.

Wir danken dir für dein Geschenk des Hierseins, für deine unbedingte Liebe in deinem kleinen großen Herzen.

Weitere Artikel über Suki:

Ich werde sehr traurig sein (Juli 2014)

Aus Sookie wird Suki (Juni 2011)

5 Antworten

  1. Nicole sagt:

    Lieber Suki, ich habe Dich nur kurz kennen gelernt. Skeptisch, aufmerksam beäugtest Du mich. Deine Liebe zu Deinem Frauchen war spürbar. Du hast mich sehr beeindruckt, Du kleine Hundeseele mit dem großem Herzen und dem wachem Gesichtchen! Mach’s gut! Ich freue mich, dass unsere Seelen sich begegnet sind! Grüß mir all meine Lieben, die schon voraus gegangen sind! ❤️ Run free, kleiner Großer!

  2. Wolfgang Simon sagt:

    Nie in meinem Leben habe ich etwas gefühlvolleres traurigeres und gleichzeitig schöneres gelesen. Noch nie war ich überzeugter, von einer Mensch-Tier-Beziehung zu lesen, die tiefer, verständnisvoller und idealer war wie eure. Wie gerne hätte ich dich liebe Maike zusammen mit deinem Suki kennen gelernt und wäre es auch nur ein einziges Mal bei einer Spazier-Runde gewesen. Ich bin zwar sicher, dass es da draußen noch ein paar wenige Menschen gibt, die Hunde ähnlich liebevoll umsorgen wie du es getan hast, aber es gibt niemanden, der auch nur ansatzweise so feinfühlig und tiefgründig das Leben mit einer so eigenständigen, liebevollen Kreatur wie Suki beschrieben hat. Deine hinreißende Schilderung der wunderbaren Jahre mit Suki nehme ich nicht nur mit in den Tag, nein, ich glaube sie wird mich ewig verfolgen. Ich werde deine Zeilen ausdrucken und in meinem Order ablegen den ich mit „Feelings“ beschriftet habe. In Gedanken umarme ich dich ganz fest im Namen von Suki und hoffe dabei inständig dass es dein Hunderl, von wo auch immer, sieht. Du gibst allen Tierfreunden ein Stück Hoffnung zurück doch nicht alleine mit ihrer Hinwendung zu Tieren zu sein. Wolfgang

  3. Nils sagt:

    …den Bericht konnte ich nur unter Tränen lesen, obwohl ich ihn auch nur kurz kennengelernt hatte.
    Suki hatte noch eine tolle Zeit, weil es Menschen wie Euch gibt…

  4. Marianne sagt:

    Liebe Maike, ich bin zu Tränen gerührt – so ein wunderbarer Nachruf für Suki. Es ist wunderbar, dass ein Hundeleben beendet werden kann, auch wenn es schwerfällt, um dem Tier Frieden zu schenken.
    Liebe Grüße

  5. Uschi Freckmann und Mae sagt:

    Liebe Maike, gerade habe ich Deine Zeilen gelesen…es tut mir so unendlich leid.. ich weiß was es heißt seinen Seelenhund gehen lassen zu müssen. und auch wenn dieser Seelenhund nicht gehen möchte, doch der Körper sagt es geht nicht mehr… wenn ich Deine Worte lese treffen sie mich Mitten ins Herz denn sie berühren mich so sehr, weil ich diese Gefühle kenne. Noch heute, im Dezember werden es 5 Jahre das ich meinen Seelenhund Flummi gehen lassen musste, tut es unendlich weh und als er gehen musste, ging auch ein Teil von mir mit fort… der Schmerz wird immer da sein, doch man lernt mit ihm umzugehen, doch es gibt Tage wo dieser Schmerz, diese Sehnsucht, diese Trauer hochsteigt und ich mir wünschte ich könnte ihn für einen kurzen Augenblick wieder an meiner Seite haben… doch die Erinnerungen kann Dir keiner nehmen.. das Gefühl das sie an unserer Seite waren ist einzigartig… Ich bin meinem Seelenhund Flummi so unendlich dankbar, das er mir 10 Monate nach seinem Tod seine kleine Schwester geschickt hat. Sie ist ganz anders und doch steckt in ihr ein Teil von meinem geliebten Flummi… mit ihr habe ich den Schmerz besser im Griff.. sie hat mein Herz wieder geöffnet und sie ist mein Herzenshündin für die ich MEIN Leben geben würde. Fühl DICH einfach mal umarmt. Alles Liebe Deine Uschi & Herzenshündin Mae und Seelenund Flummi R.I.P….. ps sie werden immer bei uns sein und immer über uns wachen..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert