Ich werde sehr traurig sein….

…wenn Suki eines Tages einmal nicht mehr aufwacht. Heute Morgen dachte ich fast, dass es soweit ist, denn er ließ sich so gar nicht wecken. Ich streichelte ihn, ruckelte an seinem Pad, zog ihm sogar eine übersehene Zecke aus der Wange. Nichts. Keine Reaktion. Natürlich habe ich dann schon geguckt gehabt, ob der Brustkorb sich noch hebt und senkt. Das tat er und ich staunte über seinen Schlaf.

Wir haben Suki vor 3,5 Jahren als alten Hund (damals 10)  zu uns genommen, damit er bei uns in Ruhe noch älter werden und sterben kann. Nicht auf dem kalten Betonfussboden in einem kroatischen Tierasyl. Kennengelernt haben wir uns auf facebook. Das Bild hat mich gleich in den Bann gezogen. Mein Herz und sein Herz sind sofort Freunde auf einer Ebene geworden, die man eher spürt als sieht.

Suki im kroatischen Tierasyl 2011

Suki im kroatischen Tierasyl 2011

Dieser Blick, der von der Kamera wegging- irgendwohin, wo der Mensch hinter der Linse nicht war, ein bißchen traurig irgendwie. Die Ohrenfrisur, wie sie nur Hunde tragen, die Angst haben.
Alles, was wir von ihm wussten, war, dass sein Frauchen ins Pflegeheim kam und niemand von den Angehörigen ihn haben wollte. Meine langjährige Freundin Uta, die auch Tierkommunikatorin ist, hat uns darüber hinaus erzählt, dass er sehr an seinem Frauchen hing und es ihm große Probleme machte, dass er nicht auf sie aufpassen und das nicht verhindern konnte.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir mit Maggie und Lucy zwei Hunde und fanden eigentlich, dass das absolut genug sei. Aber dieser kleine, ängstliche Hundemann ging mir nicht aus Kopf. Ich versuchte damals, ihn irgendwo hier in der Nachbarschaft unterzubringen, fragte überall herum, doch es war vergebens. Erst war ich frustriert, dann fast deprimiert darüber, dass ich ihm nicht helfen konnte.

Zwei Dinge sind dann passiert.
Meine liebe Freundin Karen-Susan sagte einen pragmatisch kurzen Satz, der verblüffend war in seiner Einfachheit: „Wo zwei Hunde satt werden, wird es auch ein Dritter“. Und dann sagte Katrin: „Ach, komm. Dann nehmen wir ihn zu uns…das ist ja nicht auszuhalten mit dir. Zusammen schaffen wir auch drei Hunde.“

Und so war es dann auch.

Als wir ihn das erste Mal vor uns sahen, staunten wir darüber, wie klein er ist…Irgendwie dachten wir ihn größer.

Inzwischen sind drei Jahre vergangen und JEDER in der Nachbarschaft, ach was, überall,  fällt jedes mal fast auf die Knie, wenn wir vorüber gehen. Sie säuseln dann: „Den hätte ich auch genommen!“,“das ist mir der Liebste von allen“, „den finde ich am Tollsten“, „den könnte ich klauen“,… Aber nun ist es zu spät. Ihr hattet Eure Chance…

Sukis Seele ist eine große. Und seine Aufmerksamkeit, wenn jemand an die Tür kommt, ist es auch. Er bellt am Lautesten von allen und mittlerweile auch am Längsten. Er bekommt nicht mehr alles mit und bellt dann eben prophylaktisch in alle Richtungen. Irgendwer wird sich schon gemeint fühlen.
Wenn er nicht gerade auf etwas aufpasst, dann klebt er an meiner Seite. Rangekuschelt, drübergelegt, direkt davor gelegt, Hauptsache nah dran. Sage ich ihm nicht Bescheid, wo ich hingehe, dann sucht er mich im ganzen Haus. Und das in einer Aufregung, dass er mich nicht mehr sehen kann, wenn ich nicht direkt vor seinen Augen herumfuchtel. Seine Sinne schwinden allmählich. Das Gehör war als erstes weg, die Augen gehen noch leidlich. Es liegt ein Schleier drauf und ich vermute, dass er die Welt durch eine Gardine sieht. Macht aber nichts, für Nachbars Katze reicht es noch. Aber alles wird eben weniger. Manchmal schlägt auch ein bißchen Demenz durch.

Neulich bei der Tierärztin wurde ich schwach und brachte von dort Tabletten mit, die nochmal die Adern freipusten und „noch ein paar aktive Jahre“ geben sollen. Es ist ein Medikament, das Menschen mit Alzheimer bekommen. Für Tiere soll es ähnliche Effekte haben.

Weil sein Magen einer seiner empfindlichsten Körperregionen ist, hat er sie gleich wieder von sich gegeben.
Das rüttelte mich auf. Mir wurde klar, dass ich diese Tabletten nicht für ihn, sondern für mich gekauft habe. Ich hätte ihn gerne noch etwas länger hier auf Erden. Aber bei all dem geht es nicht um mich und meine Befindlichkeiten.

Wenn der Körper nicht mehr will, dann muss man die Seele ziehen lasssen. Und ich habe auch nicht das Recht, ihn medikamentös wachzurütteln, wenn er sich eigentlich auf seinen langen Schlaf vorbereitet und sich Sinn für Sinn, Stück für Stück aus der Welt entfernt.
Das wünschte ich mir auch für mich selbst, wenn es einmal so ist. Und für viele Alte in den Heimen, die immer weiter am Leben – oder dem Rest davon- gehalten werden.

Der Tod ist so ausgegrenzt aus unserem Sein, dass wir so tun als wäre er nicht da. Es ist ein bißchen so wie damals beim Versteckspiel, wenn man sich die Augen zugehalten hat, um sich unsichtbar zu machen.
Doch gerade der Tod ist es über den wir keine Kontrolle haben. Er steht immer neben uns, ist unser ständiger Begleiter in jedem Augenblick. Wir sollten ihn als Freund sehen, der uns eines Tages eben abholen kommt.

So will ich es auch bei Suki versuchen und wie immer, wenn ich etwas ernst meine, kaufe ich mindestens ein Buch zum Thema (z.B. Abschied für länger: Über den Tod unserer Hunde).  Darin werden schöne Rituale beschrieben, die dem Tod Raum geben, sein zu dürfen. Damit alle sich auch verabschieden können. Nicht nur der Tod, auch das Sterben selbst ist Thema darin und auch das will ich versuchen und eine stärkende und unterstützende Begleitung sein- kein heulender Hemmschuh beim Übergang.

Ich hoffe einfach, dass diese Bereitschaft allein schon genügt, um ihm die Erlaubnis zu geben, tatsächlich einfach so von uns zu gehen. Am liebsten einfach so im Schlaf. So wie heute morgen, aber eben ohne Herzschlag und wieder wach werden. Das wünsche ich mir für ihn.

Ich werde traurig sein. Sehr sogar. Aber auch unendlich dankbar dafür, dass er bei uns gewesen ist. Unser Bubi.
Aber noch ist er hier. JETZT ist er bei uns und wir genießen das.

3 Antworten

  1. Seufz…das hast du sehr schön ge- und beschrieben Maike und es erinnert mich sehr an meinen Oko. Er kam 8jährig aus dem damaligen Jugoslawien zu uns, gezeichnet an Körper und Seele vom Krieg. Aber als er endlich bei mir/uns angekommen war schenkte er uns 10 tolle gemeinsame Jahre. Mein Herzhund……
    LG Sanne

  2. Marianne sagt:

    Liebe Maike, das ist ein sehr schöner Artikel, herzbewegend – und recht hast Du natürlich auch. Ich wünsche Euch noch ein paar friedliche Wochen, Tage etc. miteinander.
    LG Marianne

  3. Marion sagt:

    Hallo,

    ein sehr ergreifender und guter Beitrag in einer Zeit in der alle nur halten und verlängern und um keinen Preis loslassen wollen.
    Leider haben wir verlernt den Tod zu akzeptieren. Unsere Tiere sind uns auch da wieder weit vorraus. Wenn es für sie so weit ist dann nehmen sie es eben an, sie jammern und lamentieren nicht darüber sondern akzeptieren es als Teil des Kreislauf. Fehlt ihnen ein Bein, laufen sie auf 3 weiter und nie hab ich erlebt das ein Tier darüber klagt, oder über schlechtes Wetter. Sie leben jeden Tag ihres Lebens in volle Zügen als gäbe es nur diesen Einen.
    Vielleicht sollten wir uns das auch mal angewöhnen und das Hier und jetzt mehr geniesen, dann fällt der Abschied viel leichter weil es ja nix verpasstes und aufgeschobenes gäbe.

    Alte Hunde haben eine besondere Würde und sie bringen uns viel bei wie man in Würde altert wenn wir ihnen zuhören.

    Ich hatte lange Jahre immer einen alten Hund aus dem TS zu meinen dazu genommen und ich musste mir oft anhören wieso ich denn gerade so einen uralten an dem ich ja nicht mehr lange haben würde dazu nehm. Da hat man sich kaum dran gewöhnt dann stirbt er schon weg! Ja, das kann passieren, aber ich habe keinen von diesen Hunden vergessen, jeder lebt in meinen Gedanken weiter und hat sich tief eingegraben. Welpen hab ich schnell vergessen, aber diese Alten, die bleiben dir im Herzen mit all ihrer Würde, Sturheit und Alterswürde.

    Ich wünsche dir noch viel Zeit mit deinem Oldie.

    Gruß
    Marion

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